E-Learning & Online-Zusammenarbeit haben bei Vielen einen schlechten Ruf. Sie denken dabei an:
Dass wir uns durch die aktuelle Covid-19 Situation gezwungenermaßen damit auseinandersetzen müssen, macht die Sache nicht besser. Es sind nicht gerade die besten Voraussetzungen, um die Digitalisierung auch in diesem Bereich mit Freude voranzutreiben.
Die ablehnende Haltung ist nachvollziehbar aufgrund schlechter Erfahrungen, z.B. mit werblichen Massen-Webinaren, Standard-LMS-Systemen, oder auch unvorteilhaft moderierten Online-Konferenzen.
Aber schlechte Erfahrungen bedeuten noch lange nicht, dass es grundsätzlich nicht funktioniert oder gar nicht funktionieren kann. Vielleicht müssen wir nur etwas umdenken und anders machen.
In diesem Blogbeitrag lesen Sie, wie wir dieses Umdenken erreichen können, indem wir uns darauf konzentrieren, worauf es wirklich ankommt: auf Wirksamkeit und Lernzieltransfer.
Wir zeigen an einem konkreten Beispiel, Online-Elemente in einem Blended-Ansatz, aber auch wie reine Online-Kurse sogar vielleicht noch besser funktionieren können als Trainings mit Präsenz.
Persönliche Präsenz ist gerade bei sensiblen Themen ein starker Faktor. In den Online-Varianten versuchen wir deshalb, die persönliche, auch emotionale Anteilnahme bewusst zu fördern, durch z.B. Storytelling, persönliche Check-ins und Check-outs, und nicht zuletzt einer guten Portion Humor.
Persönliche Präsenz ist aber nicht der einzige Wirkfaktor für den Erfolg einer Trainingsmaßnahme.
Der Ansatz, E-Learning vom Präsenz-Training her zu denken, wird immer dazu führen, dass uns Nachteile auffallen: wir bleiben dann per se bei einer defizitären Wirkungsrelation, immer unter 100% im Vergleich zu Präsenz.
Warum also nicht mal andersherum denken: nach Chancen und Vorteilen von E-Learning suchen und diese immer weiter ausbauen – eine lösungsorientierte Herangehensweise.
Wir sind überzeugt: Wenn wir die technischen Online-Möglichkeiten voll ausschöpfen und gleichzeitig Konzepte mit Sinn und Verstand entwickeln, ist in vielen Fällen sogar noch mehr Wirkung zu erwarten als in typischen Präsenzveranstaltungen.
Zur Veranschaulichung ein Beispiel aus eigenem Erleben: Wir führen seit über 10 Jahren Präsenz-Trainings in einer ganz bestimmten Kommunikationsmethode durch, mit der man wirksame Kernbotschaften für komplexe Zusammenhänge entwickeln und auf den Punkt bringen kann. Das sind meist 1-2 Tage dauernde Formate. Die Methode ist an sich simpel, erfordert aber ein völliges “Umparken im Kopf” und braucht viel konkrete Praxisanwendung.
In den letzten Jahren haben wir das Seminar schrittweise auf E- bzw. Blended-Format umgestellt, immer wieder Alternativen getestet und evaluiert. Und wir waren teilweise selbst überrascht, wie gut es funktioniert.
Impuls fürs Umdenken: Heterogene Zielgruppen erfordern besonders auch bei dieser Methode didaktisch unterschiedliche Herangehensweisen. Nach Vorstellungsrunde und Bedarfsklärung ist im Präsenztraining (v.a. bei nur einem Tag) nur begrenzte Möglichkeit, Konzept und Material direkt anzupassen. Wir taten unser Bestes (verschiedene Varianten im Koffer), wünschten uns aber noch mehr.
Unsere Lösung: Die Vorabfrage gibt den Teilnehmenden individuell die Möglichkeit, Ihre Erfahrungen, ihren Praxisalltag sowie Zielsetzungen und Wünsche mitzuteilen, und wir Trainer haben 1-2 Wochen Zeitpuffer, um Anpassungen vorzunehmen und auch gedanklich gut gebrieft einzusteigen. Seit ca. 4 Jahren machen wir dies standardmäßig und preisneutral.
Impuls fürs Umdenken: Die erste Stunde Seminarzeit ist bei diesem Thema häufig darauf fokussiert, den Nutzen der Methode aufzuzeigen und Bedenken und Widerstände abzubauen (das “Umparken im Kopf”) – aber immer nur bei einem Teil der Teilnehmenden. Andere sind früher bereit, weiterzumachen. Als Trainer*in ist man gut beschäftigt, alle auf einen Stand zu bringen, ohne Ungeduld zu erzeugen. Die Zeit der “Bereiten” könnte noch besser genutzt werden.
Unsere Lösung: Mit der Vorabfrage kann sich der/die Trainer*in zwar auf die Gruppe einstellen, sie erzeugt aber noch keine generelle Bereitschaft für das Umdenken. Eine kurze inhaltliche Einführung in Form eines reinen Online-Trainingsbausteins, ein vorbereitender Kick-Kurs erfüllt diese Funktion und noch mehr:
Impuls fürs Umdenken: Wir wussten, dass die Nachhaltigkeit der Lernerfolge auch bei dieser Methode stark von der schnellen und erfolgreichen Anwendung durch die Teilnehmenden abhing. Wir boten deshalb Follow-up Termine an, um die ersten auftauchenden Fragen beim eigenständigen Anwenden der Methode möglichst zeitnah beantworten zu können. Allerdings sind Follow-up Termine ein zusätzlicher Kostenfaktor, v.a. wenn man den doppelten Reiseaufwand aller Beteiligten betrachtet, und sie waren auch terminlich meist schwer koordinierbar.
Lösung: Die Teilnehmer können uns jetzt ihre individuellen Praxisfälle zusenden und Kommentare und Empfehlungen erhalten, oder 1-2h Online-Sparring bequem vom Schreibtisch aus abrufen, flexible Zeiteinteilung, individuelle Beratung direkt am Arbeitsplatz.
Impuls fürs Umdenken: Eigentlich kam dieser Impuls aus einer Kostensparnotwendigkeit einer europaweit zusammengesetzten Seminargruppe. Der Reiseaufwand wäre einfach so enorm gewesen, dass wir uns der Herausforderung stellten.
Lösung: 1 Tag Präsenz-Seminar wurde auf 5 x 2h aufgeteilt, auch aufgrund von Zeitzonen-Überlappungen. Die Methode hat 5 Grundschritte, so dass die zeitliche Taktung auch perfekt auf die Methodentaktung passte. Je nach Zielgruppe, zeitlicher Verfügbarkeit und Kundenwunsch arbeiten wir heute aber auch verstärkt in 2x4h Formaten.
Geschätzte Wirksamkeitssteigerung: 20%. Wir waren selbst überrascht, wie sehr die Einteilung in „Häppchen“, und die Nutzung kleiner Umsetzungsaufgaben zwischen den Einheiten den Lernerfolg positiv beeinflusste. Mehrere Teilnehmende haben ungefragt und unabhängig voneinander rückgemeldet, dass sie gerade diese Taktung so hilfreich fanden, und sie sonst in Präsenz-Seminaren deutlich weniger mitnehmen können – es bliebe aufgrund der Menge der Inhalte nicht alles hängen. Zusätzlich verzögere man das Loslegen direkt nach dem Training, weil man erst einmal die Abwesenheitszeit wieder reinholen möchte.
Wir finden, dass dieser Aspekt ein echter Vorteil von Online-Trainings ist, denn mal ehrlich: Wer leistet es sich, Teilnehmende und Trainierende doppelt so häufig dem Reiseaufwand auszusetzen, für 2 oder 4h Anwesenheit?
Impuls fürs Umdenken: die meisten Video-Conferencing Tools haben zwar eine Whiteboard-Funktion, aber die UX lässt meist noch zu wünschen übrig. Zudem kann man im Präsenz-Seminar mal schnell jemandem mit einem Schulterblick kurze Hinweise geben, in den Breakout-Sessions sieht man aber immer nur den aktiv geteilten Bearbeitungsstand.
Lösung: es war wie ein Halleluja: Visuelle Collaboration Tools wie Mural, Miro oder Conceptboard lassen sich parallel zur Video-Konferenz nutzen. So können alle in der Gruppe sehen, wer woran gerade arbeitet, jeder kann sich an den Überlegungen der Anderen beteiligen, und jeder kann mal schnell zurück zu den Grundlagen springen und sich eine Anregung holen.
Wir können und wollen (!) weiterhin zusätzlich den Faktor Präsenz nutzen, wenn die Rahmenbedingungen passen - dafür aber diese Zeit noch achtsamer, sinnvoller und wertschöpfender für uns und unsere Teilnehmenden nutzen.
E-Learning dagegen ist nicht einfach nur defizitäres Präsenztraining. Wir sollten es als neue Lernform begreifen und von diesem Standpunkt aus didaktisch und konzeptionell sinnvolle Lösungen finden. Wir alle haben bestimmt noch mehr Beobachtungen, die nach Lösungen rufen – und stehen damit erst am Anfang einer vielversprechenden Entwicklung.
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